EZ (Christliche Wochenzeitung für Niedersachsen)

Wie in einer Großfamilie
Kleine Einrichtung will Kindern wieder Vertrauen geben

Hannover. Das Kinder- und Jugendhaus Amthor in der Grünewaldstraße am Rand der Eilenriede ist eine der kleinsten Jugendhilfeein­richtungen Hannovers. Jens-Olaf Amthor hat sie 1989 als Alternative zur traditionellen Heimerziehung gegründet, anfangs mit zwei Plätzen. Der Leiter und Träger der Einrichtung arbeitete zuvor als Erzieher im städtischen Kinderheim Rodenhof.

Bis heute ist der christli­che Glaube Grundlage für die Betreuungsarbeit. „Aus dem Glauben schöpfen wir die Kraft für unsere Aufgabe“, sagt Amthor. Derzeit leben in dem Lister Wohnhaus sieben Kinder und Jugendliche im Alter zwischen acht und 16 Jahren. Meist haben die Jun­gen und Mädchen einen lan­gen Leidensweg hinter sich, bis sie in die Einrichtung kommen. Sie haben Gewalt erlebt, Enttäuschungen, Missbrauch, sexuelle Gewalt, extreme Vernachlässigung und Verwahrlosung. „Die Kinder haben das Urvertrauen in die Erwachsenen verlo­ren. Beziehungsabbrüche waren für sie an der Tages­ordnung“, sagt Amthor und gibt ein Beispiel: „Ein Junge hatte während seiner ‚Lauf­bahn‘ im Heim schon über 30 verschiedene Bezugsper­sonen erleben müssen, nicht zuletzt durch die hohe Fluktuation in den Institutionen.“ „Ersatzvater“ Amthor will daher den traumatisierten, beziehungs- und auch bindungsgestörten Mädchen und Jungen unter familienähnli­chen Bedingungen begegnen. Eine professionelle pädagogi­sche Betreuung sollen sie „wie in einer Großfamilie“ erhalten. Und zwar rund um die Uhr: Um eine intensive und individuelle Betreuung zu gewährleisten, lebt Amthor mit den Kindern unter einem Dach und steht somit durchgehend als An­sprechpartner in allen Le­benslagen zur Verfügung.

Unterstützt wird er dabei von vier weiteren pädagogischen Fachkräften, die außerhalb des Kinderhauses wohnen. Die begrenzte Anzahl von Plätzen ermöglicht die indi­viduelle Betreuung und schafft eine überschaubare Struktur. „Verlässliche Be­ziehungen sind für die Kin­der unverzichtbar. Erst dann“, betont Amthor, „können sich Vertrauensver­hältnisse bilden, die die jun­gen Menschen psychosozial stabilisieren.“

Oberstes Ziel seien neben der Verlässlichkeit die Stabi­lisierung der Persönlichkeit, aber auch die Hilfe zur Selbsthilfe. „Im Vordergrund stehen für uns die spezifische Förderung und Unterstüt­zung der jungen Menschen sowie die Förderung ihrer jeweiligen Ressourcen“, be­tont Amthor, für den eine Arbeit mit geregeltem Tages­ablauf und Feierabend ein Fremdwort ist.

Als Problem sieht Amthor die in den letzten Jahren vom Fachbereich Jugend und Familie angestrebte be­schleunigte Familienrückführung. „Die Kinder brauchen in der Regel mindestens ein halbes Jahr, bis sie aufgetaut sind“, klagt der hauptberufli­che Familienvater. Für einige von ihnen bleibe er die „Al­ternativfamilie“ bis ins Er­wachsenenalter.

Alexandra Rust

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