Pädagogische Konzeption mit traumapädagogischem Schwerpunkt
1. Vorwort
Zum traumapädagogischen Konzept des Kinder- und Jugendhauses Amthor habe ich gern einen unterstützenden Beitrag geleistet. Schon die Anfrage hat mich sehr gefreut, ob ich an der Umgestaltung des bestehenden Konzepts zu einem Konzept mitarbeite, das auf die pädagogischen Bedürfnisse und Anforderungen traumatisierter Kinder eingeht. Dabei ging es ausdrücklich um ein alltagstaugliches Konzept, dessen Umsetzung sowohl den Kindern und Jugendlichen als auch den betreuenden und pädagogisch arbeitenden Erwachsenen Klarheit und Unterstützung zu einem guten Miteinander und zu einer sinnvollen Arbeit ermöglichen soll.
Unsere Arbeit begann deshalb auch mit Fallarbeit, die mir einen guten Einblick in die alltägliche Arbeit im Kinderhaus gab. Vermittelt durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen lernte ich die im Kinderhaus lebenden Kinder und Jugendlichen kennen, ihre Geschichte und auch ihre Symptomatik. Es wurde bald deutlich, dass die jungen Bewohner und Bewohnerinnen des Kinderhauses zu etwa ¾ früh- und bindungstraumatisierte Kinder und Jugendliche sind. Früh- und Bindungstraumatisierungen geschehen in der Regel durch nahe Bezugspersonen und haben immer schwere Entwicklungsdefizite zur Folge. Es sind nicht bei allen Kindern und Jugendlichen die Einzelheiten ihrer belastenden Erlebnisse bekannt, aber schwere Vernachlässigung und Misshandlung kommen bei den meisten zu betreuenden Kindern und Jugendlichen im Kinderhaus vor. Sexueller Missbrauch liegt vor und wird bei nicht wenigen vermutet.
Diese schwerwiegenden Trauma-Ereignisse gehören zu den gefährlichsten Lebenserfahrungen für die seelische Entwicklung von Kindern. Die Identität des Kindes, seine Lebensberechtigung und sein Wert an sich werden durch nahe Bezugspersonen nicht nur in ihrer Entwicklung gehemmt, sondern werden völlig in Frage gestellt. Die Identitätsentwicklung der Kinder und Jugendlichen ist gefährdet und damit die Entwicklung des Ichs mit all seinen Funktionen und Möglichkeiten. Die Fähigkeiten, sich auf Bindungen einzulassen, Bindungsangebote überhaupt wahrzunehmen und in ihnen nicht eine Bedrohung zu sehen, sind gestört. Die Fähigkeit Affekte zu regulieren, sie differenzieren, annehmen und regulieren zu können ist oft kaum oder nur rudimentär entwickelt. Auch die Fähigkeit mit Frustrationen umgehen zu können wurde nicht verinnerlicht. Somit bedrohen Frustrationen immer im hohen Maße das fragile Selbstwertgefühl und werden als vernichtend wahrgenommen.
Die Symptome, mit denen die Kinder und Jugendlichen auf ihre Identitäts- und Entwicklungsstörungen aufmerksam machen, sind vielfältig. Bei manchen Kindern und Jugendlichen ist es eine sehr laute Symptomatik, die andere und sich selbst gefährdende Handlungen mit sich bringt. Diese Kinder und Jugendlichen benötigen durchaus eine grenzsetzende, und dadurch haltgebende Pädagogik. Andere zeigen eine eher stille, introvertierte Symptomatik, die häufig Anzeichen einer Depression ist. Diesen zurückgezogenen Kindern und Jugendlichen muss zunächst Raum gegeben werden, in dem sie sich zeigen können, in dem sie Vertrauen entwickeln können. Alle traumatisierten Kinder benötigen jedenfalls Sicherheit, Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Erwachsene, mit denen sie die Erfahrungen machen können, als Individuum gesehen und ernstgenommen zu werden.
In der Arbeit mit dem Kinderhausteam und auch durch das entstandene Konzept habe ich den Eindruck, dass den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Tragweite ihrer Aufgabe bewusst ist. Zudem wird auch deutlich, dass sie durch die Auseinandersetzung mit sich selbst, mit ihren eigenen Grenzen und Möglichkeiten erfahren können, dass sowohl ihr eigenes Unbewusstes als auch das der Kinder und Jugendlichen manchmal sehr erschwerend in die Arbeit hineinspielt. Traumatisierte Menschen, Erwachsene wie Kinder, lösen im anderen manchmal heftige Affekte aus. Zu erkennen, dass diese induzierte Affekte sind und nicht die eigenen, ist für die pädagogische Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen unerlässlich. Nur dann können Handlungsimpulse, die zerstörerischen Einfluss auf die Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen hätten, angehalten werden. Aus diesem Grund muss oftmals in der Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen auf Spontaneität verzichtet werden und zunächst an Selbstberuhigung gedacht werden. Erst in einem beruhigten inneren Zustand können die Pädagogen einem unregulierten und außer sich geratenen Kind begegnen.
An diesem Punkt wird vielleicht die Nähe zwischen Traumapädagogik und Traumatherapie deutlich. Aber auch, wenn es unterschiedliche Aufgaben in beiden Bereichen gibt, macht erst die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Disziplinen das Gesundwerden der hier beschriebenen Kinder und Jugendlichen möglich. Dies war ein weiterer Grund für mich, die Arbeit an dem traumapädagogischen Konzept mit Freude begleitet zu haben.
Dem engagierten Kinderhausteam wünsche ich weiterhin viel Kraft und Geduld und Erfolg bei ihrer Arbeit.
Hannover, im Juli 2014
Mechthild Schax
Analytische Kinder und Jugendlichen-Psychotherapeutin
2. Einleitende Gedanken
In diesem Konzept wird zur Vereinfachung oft von Kindern gesprochen, gemeint sind aber immer Kinder und Jugendliche. Außerdem weisen wir darauf hin, dass wir auf den folgenden Seiten ganz allgemein Kinderhaus und nicht Kinder- & Jugendhaus schreiben. Die Vereinheitlichung bedeutet selbstverständlich für uns keine Ausgrenzung von Jugendlichen!
Das Kinderhaus Amthor, bis Sommer 1996 unter dem Namen „Erziehungsstelle Amthor“, wurde am 1. Juli 1989 als Alternative zur traditionellen Heimerziehung gegründet und kann somit auf eine über 25 jährige Geschichte zurückgreifen. Unser Kinderhaus ist eine, gemäß § 45 SGB VIII, anerkannte Einrichtung der freien Jugendhilfe.
Von anfangs zwei Plätzen sind wir inzwischen zu einer kleinen Einrichtung gewachsen, die insgesamt sieben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene betreut. Um eine möglichst weitgehende Individualität und Intensität in der Betreuung zu gewährleisten, werden im Kinderhaus nur sieben Kinder aufgenommen.
Der Leiter und Träger der Einrichtung lebt mit den Kindern im Haus zusammen und steht somit in der Regel als Ansprechpartner „rund um die Uhr“ zur Verfügung. Hinzu kommen fünf pädagogische MitarbeiterInnen, die außerhalb des Kinderhauses wohnen. Sowohl die Struktur unseres Kinderhauses als auch die professionellen Erfahrungen gewährleisten, dass wir den traumatisierten Kindern eine sichere Bindungserfahrung ermöglichen können.
Die Individualität jedes einzelnen Menschen und die jeweils einzigartige Situation, in der er/sie sich befindet, stellen die zentralen Ausgangspunkte für unsere Überlegungen dar. Wir wollen daher keine standardisierten Lösungen, sondern vielmehr, ggf. auch unter Einbeziehung externer Beratungs- und Behandlungsinstitutionen, individuelle Hilfekonzepte für jedes Kind entwickeln und diese sicherstellen. Durch die Kooperation u.a. mit Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie TherapeutInnen für Kinder und Jugendlichenpsychotherapie erhalten wir fachliche und persönliche Unterstützung.
Da wir in der Vergangenheit viele Anfragen für traumatisierte Kinder erhalten haben, liegt ein weiterer Schwerpunkt unserer Betreuungsarbeit in der traumapädagogischen Ausrichtung. Weil das bestehende Betreuungskonzept für traumatisierte Kinder nicht mehr ausreichend war, hat das Kinderhausteam u.a. durch viele fachspezifische Fort- und Weiterbildungen, die Etablierung einer Traumapädagogin innerhalb des Teams sowie eine kontinuierliche externe Fachberatung durch eine Traumatherapeutin seine Handlungskompetenz und seinen Handlungsrahmen erweitern können.
Durch die Arbeit mit Kindern, die mit komplexen Entwicklungsstörungen zu uns kommen wurde für uns die Auseinandersetzung mit dem Thema „Traumapädagogik“ notwendig.
Dementsprechend ist das Kinderhaus Amthor auch seit 2012 Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Traumapädagogik. Angelehnt an den Standards der BAG Traumapädagogik haben wir seitdem stetig an der Weiterentwicklung eines eigenen Konzeptes mit traumapädagogischer Ausrichtung gearbeitet.
Kinder, die eine seelische Verletzung, welche mit einer Bedrohung der Sicherheit oder körperlichen Versehrtheit einhergeht (z.B. durch physische, psychische und sexuelle Gewalt, Vernachlässigung sowie Verwahrlosung) erleben ein intensives Gefühl von Angst, Hilflosigkeit und Kontrollverlust und sind somit in ihrer Entwicklung und in ihrem Sozialisationsprozess stark beeinträchtigt. Bedingt durch diese Erfahrungen können Kinder als Traumafolgestörung Selbstwertprobleme, dissoziative Verhaltensmuster sowie Bindungs- und Affektregulierungsproblematiken entwickeln.
Durch Sicherheit gebende Fürsorge, Bindungsangebote, Achtung und Würdigung der Persönlichkeit sollen die Kinder in unserem Kinderhaus eine neue Lebenssicherheit entwickeln.
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Erfolg in der pädagogischen Arbeit nur durch die gute und verlässliche Kooperation mit den KollegenInnen des KSD/ASD und Schulen sowie unterschiedlicher Beratungsinstitutionen gelingen kann. Das gemeinsame, konstruktive und verlässliche Miteinander zum Wohle und im Interesse des Kindes ist deshalb eine bedeutende Aufgabe in unserem Beziehungs- und Betreuungsangebot.
Selbstverständlich ist die Elternarbeit ein weiterer wichtiger Bestandteil unserer Arbeit, muss jedoch ganz individuell auf die Bedürfnisse und Belange der Kinder abgestimmt werden (siehe 8.).
3. Grundhaltung
Eine wesentliche Basis der Traumapädagogik stellt eine Grundhaltung dar, die das Wissen um Folgen von Traumatisierung und biografischen Belastungen berücksichtigt und ihren Schwerpunkt auf die Sicherheit und Stabilisierung der Mädchen und Jungen legt. Ressourcen und Resilienzfaktoren werden dabei in besonderer Weise berücksichtigt. Hierbei bildet eine wertschätzende und verstehende Haltung das Fundament. Daraus ergibt sich, dass die folgenden Haltungsansätze institutionell durchgängig erkennbar sind und von den MitarbeiterInnen im Alltag gelebt werden.
3.1. Die Annahme des guten Grundes
„Alles was ein Mensch zeigt, macht einen Sinn in seiner Geschichte!“
Viele der Verhaltensweisen, mit denen Jungen und Mädchen auf Traumatisierungen reagieren, können für die PädagogInnen und die anderen Kinder des Kinderhauses belastend sein. Durch traumatisierende Erfahrungen haben die Kinder Lebensstrategien entwickelt, beziehungsweise sich Verhaltensweisen angeeignet, die wir, unter der Perspektive, dass sie individuell entwicklungslogisch und sinnhaft sind, zu verstehen versuchen. Dennoch folgen auf diese, in der Regel schwierigen Verhaltensweisen, angemessene Konsequenzen, die einen Bezug zur gegenwärtigen Realität herstellen. Dies ist ein entscheidender erster Schritt, den Kindern zu ermöglichen, ihr belastendes Verhalten im Kontext ihrer Möglichkeiten zu reflektieren und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln.
3.2. Wertschätzung
„Es ist gut so, wie du bist, doch es ist nicht immer gut, wie du dich verhältst!“
Das intensive und wiederholte Erleben von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Willkür führt bei Kindern dazu, dass sie keinen Sinn und keinen Wert in sich und ihrem Handeln sehen können. Sie übertragen Gefühle, Gedanken und Beziehungsinhalte der traumatisierenden Situationen immer wieder auf aktuelle. Sie müssen die Möglichkeit haben, sich und das, was sie tun, zunehmend wieder als wertvoll zu erleben. Dort anzusetzen, wo Stärken vorhanden sind, wo Kinder mit Spaß bei der Sache sind, ermöglicht es dem Kind, sich mit seinen Fähigkeiten zu erleben und selbst schätzen zu lernen. Das Kinderhaus gestaltet einen möglichst sicheren Rahmen, in dem den Kindern der Aufbau eines positiven Selbstbildes ermöglicht wird, um ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstbewusstsein wachsen zu lassen. Zur Wertschätzung gehört jedoch auch die Akzeptanz der anderen. Wenn Kinder gegenüber anderen abwertend oder gewalttätig sind, imitieren sie in der Regel Täterverhalten. Indem die Kinder erleben, dass dieses Verhalten nicht akzeptiert wird, kommen sie mit ihren verschiedenen Selbstanteilen in Kontakt und leben auch mit den verinnerlichten Täteranteilen. Dieser Teil der Arbeit ist deshalb besonders herausfordernd, weil die Kinder verinnerlicht haben, dass Gewalt das beste oder gar einzige Machtmittel ist. Für die Kinder bedeutet dies oftmals, dass alle die nicht gewalttätig sind – also wir PädagogInnen – nichts zu sagen haben. Diese Haltung zu verändern ist ein notwendiges Ziel und wird immer wieder in mühsamer Kleinarbeit erprobt. Dabei ist uns grundsätzlich wichtig, dass alle Regelverstöße und vor allem die, die mit Gewalt, Erniedrigung, Grenzverletzung im Zusammenhang stehen, eine Konsequenz zur Folge haben, die wir jeweils im Einzelfall abstimmen.
3.3. Partizipation
„Ich trau Dir was zu und überfordere Dich nicht!“
Die Teilhabe an der Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen zählt zu den wichtigen Einflussfaktoren, die zu seelischer Gesundheit führen. Kinder werden vor allem dann zu positivem Verhalten und Handeln motiviert, wenn sie Erfahrungen auf folgenden drei Ebenen machen:
- Erleben von Autonomie – Ich kann etwas entscheiden.
- Erleben von Kompetenz – Ich kann etwas bewirken.
- Erleben von Zugehörigkeit – Ich gehöre dazu und werde wertgeschätzt.
In ihrem alten Lebensumfeld von Gewalt, Vernachlässigung und/oder Missbrauch haben traumatisierte Kinder eine extreme, existentielle Form des Kontrollverlustes erfahren. Sie leben in der Erwartung, keinen Einfluss auf sich oder ihr Umfeld zu haben. Ihre Selbstwirksamkeitserwartung ist stark herabgesetzt, teilweise kaum vorhanden. Gerade für diese Mädchen und Jungen ist es unerlässlich, Strukturen und Ansätze zu schaffen, die dem jeweiligen Entwicklungsstand entsprechend die höchst mögliche Teilhabe gewährleisten.
3.4. Transparenz
„Jeder hat jederzeit ein Recht auf Klarheit!“
Kinder mit belastenden biographischen Erfahrungen haben in der Regel Macht und Hierarchie als etwas Missbräuchliches erlebt, wobei vermeidliche Autoritäten mitunter auch die nahen Bezugspersonen ihre Macht auf Kosten der Kinder ausgenutzt haben, um ihnen zu schaden. Dieser Machtmissbrauch war willkürlich und unberechenbar. Es ist daher von großer Bedeutung, dass diese Kinder einen transparenten, verantwortungsvollen Umgang mit hierarchischen Strukturen und Machtverhältnissen erleben. Die Kinder brauchen einen sicheren Ort, der ein Ort der Berechenbarkeit und Verlässlichkeit ist und somit ein Gegengewicht zur bisherigen Unberechenbarkeit des früheren Lebensumfeldes setzt.
3.5. Spaß und Freude
„Viel Freude trägt viel Belastung!“
Psychische Traumata gehen mit extremen Gefühlen der Angst, Ohnmacht, Scham, Trauer, Wut und Ekel einher und stellen ein erhebliches Ungleichgewicht in der Belastungswaage der Emotionen her. Es gilt daher die Freudenseite zu beleben und sie in einen besonderen Fokus zu stellen, um einen Ausgleich im emotionalen Bereich den früheren Belastungen entgegensetzen zu können. Dieser, die Gesundheit als Prozess verstehende (salutogene), Ansatz bringt Kopf und Körper in positives Erleben, das Konstruktivität, Lernen und Entwicklung nachhaltig unterstützt. Weiter unterstützen Spaß und Freude die Serotoninausschüttung und setzen so ein Gegengewicht zur Adrenalinausschüttung, die durch ein erhöhtes Stresslevel bedingt ist, in dem sich traumatisierte Kinder befinden. Kinder, die aus traumatisierenden familiären Bezügen kommen, sind in der Regel „Überlebenskünstler“. Sie haben es geschafft, unter massiv vernachlässigenden Bedingungen eine oft beeindruckende Entwicklungsleistung zu vollbringen. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die vorhandenen Ressourcen zu stärken und neue Ressourcen zu entdecken.
4. Ziele und unsere Wege dahin
Um unsere Ziele zu erreichen, ist unserem Konzept eine überschaubare, natürliche und sozial integrierende Erziehungsarbeit vorangestellt, die eine professionelle, pädagogische Betreuung unter familienähnlichen Bedingungen beinhaltet.
Bei unseren häufig bindungsgestörten Kindern verstehen wir die Beziehungsarbeit als den wichtigsten Schwerpunkt unserer Arbeit. Diese Arbeit setzt ein empathisches und individuelles Auf-die-Kinder-zugehen voraus, bei dem die Erfahrungen und Ängste des Kindes berücksichtigt werden. Durch offene Beziehungsangebote wollen wir den Kindern helfen, identitätsfördernde Erfahrungen zu machen. Die ganzheitliche Entwicklung des Kindes soll ressourcenorientiert gefördert werden. Die Entwicklung des Selbstgefühls und die Entdeckung der eigenen Bedürfnisse sowie der eigenen Grenzen soll dadurch belebt werden. Erst nachfolgend sollen Defizite, Auffälligkeiten und psychische Störungen, die die Kinder aus ihren bisherigen Lebensbiographien oftmals mitbringen, durch gezielte und individuell abgestimmte Förderungsmaßnahmen aufgefangen werden.
Unser Ziel ist es, bei den Kindern eine Entwicklung anzuregen, die sie zu selbstständigen, in unserer Gesellschaft lebensfähigen, selbstbestimmten Erwachsenen werden lässt. Dazu gehört es auch, die Kinder altersentsprechend in ihren Verselbständigungsprozessen zu fördern. Außerdem möchten wir den Kindern eine individuelle Unterstützung unter Berücksichtigung vorhandener traumarelevanter Emotionslagen (z.B. Selbstunwirksamkeitserwartung, Dissoziationsneigung, Impulsdurchbrüche, Scham) und intellektueller Möglichkeiten anbieten, sodass sie einen erfolgreichen Schul- und/oder Berufsabschluss realisieren können.
Die Kinder sollen über vielfältige positive Erfahrungen (z.B. verlässliche Bezugspersonen, Einzelaktivitäten im freizeitpädagogischen Bereich, sicherheitsfördernde Botschaften und Angebote) eine Stärkung ihres Selbstvertrauens und Selbstbewusstseins erreichen. Der erlebten körperlichen und/oder sexuellen Gewalt, den Aggressionen, den Vertrauensverlusten, der Vernachlässigung und Verwahrlosung, die oftmals traumatisierende Folgen für die Kinder haben und als Ursache für ihre aktuelle Situation anzusehen sind, wird ein verlässliches Beziehungsangebot im Kinderhaus entgegengesetzt. Des Weiteren muss das Kinderhaus für die Kinder ein Schon- und Schutzraum sein, in dem sie unter anderem zu sich selbst finden und sich sicher fühlen können. Die Bereitstellung dieses „sicheren Ortes“ soll es den Kindern ermöglichen, neue und korrigierende Erfahrungen mit sich und ihrer Umwelt zu machen, um so neue Handlungskompetenzen erwerben zu können. Aus dieser sicheren Position können die Kinder in Kommunikation mit uns Erwachsenen, durch unsere Unterstützung und unserem anderen Umgang mit ihnen neue Verhaltensstrategien erarbeiten. Auch die Auseinandersetzung mit den anderen Kindern ist dabei ein wichtiges Lerngebiet. Denn es gehört selbstverständlich auch dazu, dass die Kinder untereinander den sicheren Ort des Anderen akzeptieren. Bei einer Grenzüberschreitung in diesem Beispiel profitieren beide Kinder von der Durchsetzung der Regel. Das eine Kind, weil es aktiv geschützt wird und das regelverletzende Kind kann dann sicher sein, dass es in einer umgekehrten Situation auch geschützt wäre.
Der Kinderhausalltag bietet Strukturen, die die emotionale Sicherheit der Kinder innerhalb der Gruppe unterstützen und ihnen Halt geben sollen. Dazu gehören:
- Rituale
- Transparenz von tagesstrukturellen und wochenstrukturellen Punkten
- Transparenz über An- und Abwesenheit der PädagogInnen
- Transparenz über individuelle Besuche oder Termine
- Regelmäßige, standardisierte Gesprächsrunden (siehe Familiengespräch)
- Regelmäßige gemeinschaftliche Aktivitäten
Es ist unser Ziel, den Kindern resilienzfördernde Angebote zu unterbreiten, bei denen die Kinder in ihren Interessen und Fähigkeiten gesehen und gefördert werden, damit sie langfristig eine psychische und physische Widerstandsfähigkeit gegen belastende Lebensbedingungen entwickeln können. Dazu gehören folgende Angebote:
- Förderung von Problemlösefähigkeiten und Konfliktlösestrategien
- Förderung von Eigenaktivität und persönlicher Verantwortungsübernahme
- Förderung von Selbstwirksamkeit und realistischen Zuschreibungen
- Förderung des Selbstwertgefühls
- Förderung von sozialen Kompetenzen, verbunden mit der Stärkung sozialer Beziehungen, Einbeziehung in Peergroup, Schule, Vereine, etc.
- Förderung von effektiven Stressbewältigungsstrategien, wie z. B. die Fähigkeiten, Unterstützung zu mobilisieren oder sich zu entspannen
- Förderung beim Regulieren von Gefühlen
Gerade traumatisierte Kinder haben häufig Schwierigkeiten, ihre verschiedenen Ich-Anteile miteinander zu vereinbaren, diese zu akzeptieren und ihre früheren Erfahrungen in ihre Lebensbiografie zu integrieren. Wir möchten die Kinder dabei unterstützen, sich selbst kennenzulernen und zu wissen, welche Persönlichkeitsmerkmale zu ihnen gehören und welche Trigger bestimmte Emotionen hervorrufen. Sie sollen lernen, ihre Gefühle und Verhaltensmuster in verschiedenen Situationen unter Berücksichtigung ihrer Vergangenheit zu verstehen und zu reflektieren (z. B. durch Biografie- /Genogrammarbeit, Lebensbuch).
Kinder mit traumatischen Erfahrungen sind oftmals nicht in der Lage, ihre Affekte zu regulieren. Sie reagieren häufig ungesteuert und fallen damit im sozialen Rahmen stark auf, sodass ihnen oft mit Ablehnung begegnet wird und sie aus Gruppenzusammenhängen ausgeschlossen werden. Eine weitere Verarbeitungsform dieser Kinder können dissoziative Zustände sein. Sie erleben hierbei eine Art Ohnmacht, in der sie früher erlebte, traumatische Ereignisse erneut durchleben. In beiden Fällen sind die Kinder nicht in der Lage, ihr Verhalten zu steuern und benötigen eine Co-Regulation von außen. In Absprache mit den jeweiligen TherapeutInnen erarbeiten wir mit den Kindern Übungen (z. B. durch Grounding, einen Notfallkoffer und Tresorübungen), durch die sie langfristig erlernen, mit den Folgen der Traumatisierung einen Umgang zu finden. In Alltagssituationen müssen wir selbstverständlich oft direkt handeln. Dabei ist es sehr wichtig, unsere eigenen Affektregularien und unsere Grenzen zu kennen. Wichtig ist uns auch, dass in einer hoch erregten Situation keine Konsequenzen ausgesprochen werden, sondern erst einmal die Affekte wieder kontrollierbar werden. Erst wenn die Situation beruhigt ist können wir angemessene Entscheidungen treffen und die Kinder können sie dann erst annehmen.
Im Kinderhaus Amthor hat die Partizipation der Kinder einen besonders hohen Stellenwert. Durch die Partizipation wird ihnen selbstverantwortliches Handeln ermöglicht. Die Kinder werden in alle sie betreffenden Prozesse und Angelegenheiten eingebunden, indem sie unter anderem ausführliche Informationen erhalten und ein Mitspracherecht haben. Somit lernen sie beispielsweise verschiedene Fragestellungen zu beantworten, sich zu positionieren und gemeinsam nach einer für alle annehmbaren Lösung zu suchen. Dies sind Aspekte, die die Entstehung verschiedener sozialer Fähigkeiten begünstigen und grundlegend zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen, wie zum Beispiel Selbstwirksamkeit und Selbstbemächtigung.
Besondere Beispiele für die Partizipation der Kinder im Kinderhausalltag sind:
Familiengespräch:
Im Kinderhaus findet alle 4 Wochen das so genannte „Familiengespräch“ statt. Die Kinder werden altersentsprechend und auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt in das Gespräch mit einbezogen.
Nachdem die Angelegenheiten der Kinder besprochen wurden, werden verschiedene Themen von den MitarbeiterInnen angesprochen, die alle betreffen und bei denen es beispielsweise um Entscheidungen, Einbeziehung, Mitwirkung oder Positionierung der Kinder geht. Dieses kann zum Beispiel die Absprache und Festlegung bezüglich neuer Regeln und Konsequenzen beinhalten.
Familienrat:
Bei besonders brisanten Themen, bei denen ein unverzüglicher Handlungsbedarf besteht, wird der Familienrat einberufen. Es finden sich alle Kinder sowie die Erwachsenen zusammen, um durch einen themenzentrierten Meinungsaustausch zu einem gemeinsamen, verbindlichen Ergebnis zu kommen.
Einstellung von neuen MitarbeiterInnen/PraktikantInnen oder Neuaufnahme von Kindern:
Nach einer intensiven, mehrtägigen Hospitationsphase geben die Kinder ihre Meinung zur Einstellung eines neuen Mitarbeiters/Praktikanten bzw. Neuaufnahme eines Kindes ab und entscheiden somit über Veränderungen im Kinderhaus mit.
„Was geht Gespräch“:
Das „Was geht Gespräch“ findet mit jedem Kind einzeln, in einem regelmäßigen halbjährlichen Abstand statt und dient auch der Vorbereitung auf ein Hilfeplanungsgespräch (HPG). Im Mittelpunkt dieses Gespräches steht das Kind selbst und alle Themen die ihm gerade wichtig sind.
HPG-Vorbereitungen:
Die ausführlichen, durch die MitarbeiterInnen des KJH erstellten HPG-Vorbereitungen, werden mit den Kindern detailliert besprochen. Die Veränderungs- oder Ergänzungswünsche der Mädchen und Jungen werden aufgenommen und innerhalb der Vorlage anders farbig prägnant hervorgehoben (der jeweilige Entwicklungsstand der Kinder wird bei der Besprechung berücksichtigt).
Freizeitgestaltung und Urlaubsplanung:
Die Kinder haben die Möglichkeit (meist im Familiengespräch) durch ihre Ideen, Vorstellungen und Wünsche die Freizeitaktivitäten und die Urlaubsplanung mitzugestalten.
Zimmergestaltung:
Die Zimmer werden nach den jeweiligen Bedürfnissen und dem Geschmack der Jungen und Mädchen eingerichtet. Das Zimmer soll für die Kinder zu einem individuellen Wohlfühlbereich werden und dadurch eine Möglichkeit zum Rückzug und zur Abgrenzung bieten.
5. Aufnahmekriterien
Das Kinderhaus bietet eine koedukative Betreuungsform. Aufgenommen werden Kinder ab dem 6. Lebensjahr, deren körperliche und kognitive Entwicklung und Sicherheit in der augenblicklichen Situation des Kindes nicht gewährleistet werden kann.
Darüber hinaus betreuen wir Kinder, deren Verhaltensauffälligkeiten sowie eine mögliche traumabedingte Beeinträchtigung des Sozialisationsprozesses noch nicht bzw. nicht mehr durch ambulante oder teilstationäre Hilfen aufgefangen werden können. Einen besonderen Schwerpunkt setzen wir in der Betreuung von Kindern mit Bindungsstörungen (F 94, F 94.1, F 94.2) sowie Kindern mit posttraumatischen Belastungs- und Anpassungsstörungen (F 43.0, F 43.1, F 43.2) häufig im Kontext mit schwerer Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch.
Ebenso können auch Kinder nach einer Vielzahl von Beziehungsabbrüchen, verschiedenen Heim- und/oder Psychiatrieaufenthalten mit den unterschiedlichsten Störungsbildern aufgenommen werden.
Hierzu gehören gemäß ICD-10 unter anderem:
- Jungen und Mädchen mit kombinierten Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen (F92ff)
- Jungen und Mädchen mit neurotischen Belastungs- und somatoformen Störungen (phobische Störungen) (F 40ff, F 41ff.)
- Jungen und Mädchen mit emotionalen Störungen im Kindesalter (F 93ff)
- Kinder mit akuten Entwicklungs- und Lernstörungen (F 81.0, F 83)
- Kinder mit einer ADHS-Symptomatik (F 90.0, F 90.1, F 98, F 98.8 F 98.9, F 99)
- Kinder mit Störungen sozialer Funktionen mit Beginn der Kindheit und Jugend (F 94)
- Kinder mit anderen Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn der Kindheit und Jugend (F 98)
Wegen der räumlichen Begebenheiten können Kinder mit einer gravierenden körperlichen Einschränkung nicht im Kinderhaus aufgenommen werden. Desweiteren sind Alkohol- und/oder Drogenabhängigkeit (F 10 bis einschließlich F 19) sowie Essstörungen (F 50ff) und eine stärkere geistige Beeinträchtigung bei Kindern ein Ausschlusskriterium für die Unterbringung im Kinderhaus.
Bei Kindern, bei denen aufgrund ihrer Biografie eine traumabedingte Störung nicht auszuschließen ist, halten wir eine Psychodiagnostik für unerlässlich. Sollte keine Diagnostik zum Aufnahmezeitpunkt vorliegen, muss diese unmittelbar nach der Aufnahme erfolgen.
Eine Vor- oder Grundschule muss zum Aufnahmezeitpunkt bereits besucht werden oder der Besuch unmittelbar bevorstehen. Nach den jeweiligen Interessen des Kindes soll in den ersten Monaten des Hilfeverlaufs eine Anbindung an eine Freizeitgruppe oder einen Sportverein außerhalb des Kinderhauses gefunden werden, sofern diese noch nicht vorhanden ist.
Um entscheiden zu können, ob ein neues Kind in die Kinderhausfamilie aufgenommen werden kann, muss uns das gesamte Ausmaß der Problematik bekannt sein. Dieses setzt voraus, dass uns alle vorhandenen Unterlagen vollständig zur Verfügung gestellt werden (z.B. Berichte, Gutachten und Anamnese des Kindes).
Die Rechtsgrundlage der Unterbringung ergibt sich aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz gemäß §§ 34, 35a und 41 SGB VIII. Bis zu vier unserer Betreuungsplätze stellen wir für Kinder zur Verfügung, die nach §35a eingestuft wurden.
Grundsätzlich gilt für uns, dass eine Aufnahme nicht gegen den Willen des Kindes erfolgen kann.
Sollte eine Reintegration des Kindes in die Ursprungsfamilie zu einem späteren Zeitpunkt angedacht sein und/ oder eine Stabilisierung der Eltern-Kind- Beziehung angestrebt werden, müssen die Eltern zur Zusammenarbeit mit allen am Hilfeprozess des Kindes beteiligten Personen/ Institutionen bereit sein. Das bedeutet, sie müssen Interesse am Kind zeigen und motiviert sein, aktiv an der Situation, die zur Aufnahme des Kindes geführt hat, etwas zu verändern. Außerdem ist es notwendig zu klären, wer für die externe Unterstützung der Eltern verantwortlich ist und diesen Prozess begleitet.
6. Unser Aufnahmeverfahren
Grundsätzlich gilt, je differenzierter wir Auskunft über das aufzunehmende Kind erhalten, z.B. durch Familienanamnese, kinderpsychiatrische oder psychologische Beurteilung und Diagnose, umso verlässlicher können wir eine Entscheidung für ein erstes Kennenlernen des Kindes treffen (siehe auch Aufnahmekriterien). Vorab wird das Kinderhausteam abklären, inwieweit wir ggf. im Kontext interinstitutioneller Kooperationen, eine spezifische und erfolgsversprechende Jugendhilfemaßnahme gewährleisten können.
Das Kennenlernen des Kindes (Erstkontakt) soll dann in einem seiner vertrauten Lebensfelder (Familie, Heim, Clique etc.) unter Einbeziehung wichtiger Beziehungspersonen (Eltern, Pädagogen, Freund/Freundin etc.) stattfinden. Sofern dabei das Interesse des Kindes an unserer Lebensgemeinschaft geweckt werden konnte und sich eine gegenseitige Akzeptanz und Sympathie entwickelt, kann ein Besuch im Kinderhaus zum weiteren Kennenlernen/Kontaktanbahnung, wiederum unter Einbeziehung der wichtigen Beziehungspersonen vereinbart werden. Nach mehreren gegenseitigen Besuchen können dann Übernachtungen im Kinderhaus zum Abschluss der Kontaktanbahnung stattfinden. Des Weiteren gehört zur Kontaktanbahnung auch mindestens ein Gespräch in der Herkunftsfamilie oder im derzeitigen Lebenskontext des Kindes, unabhängig davon, ob eine Rückführung in Erwägung gezogen werden soll.
Eine möglichst intensive Kontaktanbahnungsphase sowie das Gespräch im häuslichen Kontext sollen dazu beitragen, Ängste und Unsicherheiten sowohl bei den Kindern, als auch in den jeweiligen Herkunftsfamilien zu minimieren gleichzeitig den Prozess einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem Kinderhausteam und den Eltern bzw. Beziehungspersonen der Kinder einleiten und letztendlich zu einem endgültigen Resümee führen, ob und unter welcher Prämisse das Kind im Kinderhaus leben kann.
Für diese Entscheidung möchten wir uns Zeit nehmen, zumal wir uns dadurch erhoffen, eine mögliche „Fehlbelegung“ im Interesse aller vermeiden zu können.
Vor der Aufnahme im Kinderhaus soll dann ein Hilfeplan-Gespräch gemäß § 36 SGB VIII, in dem Ziele, Kooperationsformen, eventuelle Besuchskontakte und Perspektiven vorläufig festgelegt werden unter Beteiligung des „jungen Menschen“, der für ihn relevanten Bezugspersonen und der zwei vorgesehenen BezugsbetreuerInnen des Kinderhauses stattfinden. Die Leitung der Planungsgespräche obliegt dem/der KSD/ASD MitarbeiterInnen. Bereits acht Wochen danach soll mit den o.g. Beteiligten das Hilfeplangespräch differenzierter fortgeführt bzw. ergänzt werden. Im dritten Planungsgespräch, ca. sechs Monate nach dem Zweiten, soll dann versucht werden eine Prognose über den weiteren Betreuungsverlauf-/ und ggf. auch Zeitraum (s.u.) zu erstellen. Folgende Überlegungen sind dabei Inhalt der Auseinandersetzung:
- Verlauf und Erfahrungen während der ersten Monate seit Aufnahme im Kinderhaus
- Reflektion der bisherigen Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie und Planung der weiteren Kooperationsform
- Mittel- bis langfristige Betreuung im Kinderhaus: Fortsetzung und Differenzierung der individuellen pädagogischen Arbeit
- Etablierung spezieller traumapädagogischer Methoden gemeinsam mit dem Kind
Transparente Pädagogik bedeutet für uns, in intensiver Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. Beziehungspersonen der Kinder sowie dem Jugendamt/KSD/ASD, in gleich bleibenden Intervallen (alle 6 Monate) ein Planungsgespräch zu konstituieren. Dabei wollen wir das Kind nach seinen jeweiligen Möglichkeiten bewusst und aktiv beteiligen und soweit wie möglich in alle Entscheidungsprozesse mit einbeziehen.
Durch eine langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit TherapeutInnen unterschiedlicher Fachrichtungen können wir auf einen Pool psychotherapeutischer Praxen zurückgreifen, welches sicherstellen kann, das Kind zeitnah an eine Therapie anzubinden.
Zu Beginn der Jugendhilfemaßnahme eruieren wir gemeinsam mit dem Kind die Wünsche und Gewohnheiten seiner Lebensbiografie mit Hilfe eines sogenannten Wohlfühlbogens, um diese für einen leichteren und vertrauteren Start in die Kinderhausfamilie übernehmen zu können.
7. Unser Kinderhaus / Kurzbeschreibung
Unser Kinderhaus liegt in einer ruhigen Wohnstraße, aber dennoch verkehrsgünstig und kann mit drei U-Bahnlinien vom Hauptbahnhof Hannover aus in ca. 10 Minuten erreicht werden. Bis in den Stadtwald „Eilenriede“ sind es nur wenige Schritte. Der Stadtteil List, in dem sich unser Kinderhaus befindet, hat eine sehr gute Infrastruktur. In der näheren Umgebung sind zahlreiche Spiel- und Sportplätze sowie alle allgemein bildenden Schulen.
Die Kinder bewohnen jeweils Einzelzimmer, die sie sich individuell gestalten können. Zum Haus gehören weiterhin ein großzügiges Wohn-/Spielzimmer, ein Freizeitraum mit Computer und Internetzugang sowie ein Garten mit Terrasse. Neben dem Spiel-/Wohnzimmer ist der Mittelpunkt des Hauses die Wohnküche, in der alle Mahlzeiten zubereitet und zusammen gegessen werden.
8. Das Mitarbeiterteam im Kinderhaus
Das gleichberechtigte, multiprofessionelle Team besteht derzeit aus sechs Fachkräften:
- Eine staatlich anerkannte Heilpädagogin (BA) (40 Wochenstunden)
- Eine staatlich anerkannte Heilpädagogin (BA)/Traumapädagogin und psychomotorischer Zusatzausbildung (40 Wochenstunden)
- Ein Erziehungs-/Sportwissenschaftler (BA) (40 Wochenstunden)
- Zwei staatlich anerkannte Erzieherinnen (jeweils 30 Wochenstunden)
Zudem hat der Träger und Leiter (staatlich anerkannter Erzieher/Fachwirt Erziehungswesen & Kinderschutzfachkraft gemäß § 8a SGB VIII) seinen Lebensmittelpunkt im Kinderhaus und lebt dort rund um die Uhr mit den Kindern zusammen (familienanaloges Konzept).
Die Betreuung im Kinderhaus erfolgt an 365 Tagen im Jahr. Es gibt keinerlei Schließzeiten während der Ferien oder über die Feiertage hinweg. Nachtbereitschaften werden von den externen pädagogischen MitarbeiterInnen einmal wöchentlich bzw. zusätzlich in Vertretungszeiten übernommen (Urlaub, Krankheit, Fortbildung etc.). Täglich in der Zeit von ca. 12.00 – 20.30 Uhr findet mindestens eine Doppelbesetzung statt. Zusätzlich zu der Doppelbesetzung wird werktags ein weiterer MitarbeiterInnen aus dem pädagogischen Team für die Hausaufgabenbetreuung und die individuelle Lernförderung, traumapädagogische Angebote sowie Begleitungen in diesem Kontext und für ggf. weitere freizeitpädagogische Betreuungsaktivitäten eingesetzt (14.30 bis mindestens 17.00 Uhr). Eine Betreuung an schulfreien Tagen bzw. bei vorrübergehendem Ausschluss eines Kindes vom Unterricht wird durch das Kinderhaus sichergestellt. Gleiches gilt auch bei Krankheit bzw. während eines stationären Krankenhausaufenthaltes der Jungen und Mädchen.
Die komplexen Anforderungen, die die Kinderhausarbeit an die MitarbeiterInnen stellen, werden durch stetige Fort- und Weiterbildungen sowie einer regelmäßigen Supervision und externer Beratung gewährleistet. Daher ist die persönliche und fachliche Weiterqualifizierung ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Die MitarbeiterInnen nehmen deshalb kontinuierlich an mindestens 3-5 Tagen pro Jahr an Fortbildungsveranstaltungen teil. Die Anforderungen an die Arbeit mit traumatisierten Kindern, in der Regel früh und komplex traumatisierten Kindern, ist deshalb so schwierig, weil die Kinder im Babyalter nicht verlässlich die frühkindlichen Beruhigungserfahrungen am Körper der Eltern erlebt haben. Sie brauchen einen nachholenden Reifungsprozess. Da sie aber keine Babys mehr sind, lösen die Kinder in uns schwierigere Zustände aus, als Babys das in der Regel tun. Somit müssen wir mit unserer Affektregulation besonders umgehen. In diesem Fall bedeutet Affektregulation Verzicht auf Spontanität und auf Impulsivität. Denn die destruktiven Affekte, die traumatisierte Kinder in uns auslösen können, sind nicht unsere eigenen Affekte sondern die Affekte der Kinder selbst. Das erfordert Selbstberuhigung und Innehalten. Somit sind das gegenseitige Vertrauen unter den MitarbeiterInnen, die gegenseitige Verlässlichkeit und Wertschätzung unverzichtbare Bestandteile unsere Professionalität neben den schon genannten Aktivitäten.
Die pädagogische Arbeit im Kinderhaus erfordert von den MitarbeiterInnen ein hohes Maß an Professionalität, innerer Stabilität, Flexibilität, Bereitschaft zur Selbstreflexion und Toleranz. Dadurch ist es möglich, die Betreuung mit Kontinuität zu leisten. Durch die geringe personelle Fluktuation wird eine verlässliche und konstante Beziehungsarbeit gewährleistet.
Zu den Standards im Kinderhaus gehören kollegiale Beratung, transparente und wertschätzende Kommunikationsprozesse und ein interner und interdisziplinärer Austausch. Des Weiteren steht dem Team u.a. eine Vielzahl von regenerierenden Methoden zur Verfügung, wie z. B. Mitarbeiteraktivitäten innerhalb und außerhalb des Kinderhauses, regelmäßige Mitarbeitergespräche, um den Belastungen der täglichen Arbeit mit traumatisierenden Kindern entgegenzuwirken und den Zusammenhalt im Team sowie die personalen Ressourcen zu stärken.
Zwei Hauswirtschaftskräfte und ein Hausmeister sind im Kinderhaus beschäftigt (Teilzeit) und sorgen somit für Entlastung im hauswirtschaftlichen Bereich unserer Lebensgemeinschaft.
9. Elternarbeit
Die Einbeziehung der Eltern, Geschwister und weiterer Angehöriger sowie ggf. ehemaliger Pflegefamilien ist grundsätzlich ein Bestandteil unseres pädagogischen Konzeptes, muss jedoch individuell im Hilfeverlauf abgestimmt und ständig überprüft werden.
In den folgenden Ausführungen sprechen wir zur Vereinfachung nur von Eltern, gemeint sind aber auch die Bezugspersonen bei denen das Kind gelebt hat.
Die Kooperation mit den Eltern wird u.a. davon abhängig sein, wie es die Bedürfnisse der Kinder und Eltern erfordern, bzw. welche Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Wir streben an, die Eltern so weit wie möglich und soweit es für den Hilfeprozess des Kindes stabilisierend und sinnvoll für die Entwicklung erscheint, in unsere Arbeit miteinzubeziehen.
Für traumatisierte Kinder ist die Erfahrung von Sicherheit eine wichtige Voraussetzung für Veränderungen. Erst wenn sie sich sicher fühlen, können sie sich mit ihren gesamten Schwierigkeiten, Bedürfnissen, Fähigkeiten und Bewältigungsstrategien zeigen.
Dies bedeutet für uns zunächst, dass die Eltern wissen und darüber auch sprechen, warum ihr Kind „fremduntergebracht“ und gerade in dieser speziellen Einrichtung ist. Des Weiteren muss über das Vergangene gesprochen werden, um so viel wie möglich über das traumatische Geschehen zu erfahren: die Art der Traumatisierung, wer sind die Täter, sind die Eltern keine Täter, aber Mitwisser oder Dulder, sind die Eltern vielleicht selber Opfer oder sind Traumata außerhalb der Familie entstanden?
Diese Differenzierung macht es möglich, den Grad der Traumatisierung besser einschätzen zu können und sie gibt uns den für unsere Arbeit so wichtigen Hinweis darüber, ob ein Kind bindungstraumatisiert ist. Nicht zuletzt sind diese Auskünfte auch deshalb wichtig, weil wir bei dem Thema „Besuchsregelung“ wissen müssen, ob die Eltern Täter waren und wenn nicht, ob sie ihre Kinder jetzt schützen können.
Falls die Eltern über das Vergangene sprechen können, kann bei den Eltern ein Entwicklungsprozess angestoßen werden, der Veränderungen möglich macht. Denn es wird auch darum gehen, zu verstehen, wie die Eltern mit ihrem Kind in diese problematische, traumatisierende Situation geraten sind.
Es geht hierbei nicht um die Verurteilung der Eltern, sondern darum, die Verantwortung, dafür übernehmen zu können, ihr Kind wissentlich nicht ausreichend versorgt zu haben, grob vernachlässigt, nicht vor Gewalttätigkeiten oder vor sexueller Gewalt geschützt oder die Verantwortung dafür selbst gewalttätig und/ oder sexuell gewalttätig gegenüber dem Kind gehandelt zu haben.
Diese Form der Elternarbeit ist im hohen Maße konfrontierend und nur in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen KSD/ASD MitarbeiterInnen möglich, die entscheiden, wann ein Kind untergebracht werden muss. Im Zusammenhang mit diesem Entscheidungsprozess erfahren die MitarbeiterInnen einiges über die Lebensbedingungen des Kindes in der Familie. Diese Erfahrungen sind die Grundlagen für die Gespräche mit den Eltern. Dabei wird es konkret um Erziehungs- und Entwicklungsberatung gehen, d.h. die Eltern können erfahren, was ein Kind mindestens braucht, um gedeihen zu können und welche Umstände für ein Kind zerstörerische Folgen haben können. Gemeinsam mit den KSD/ASD MitarbeiterInnen und den pädagogischen MitarbeiterInnen der Einrichtung haben die Eltern dann die Möglichkeit zu überprüfen, ob ihre Situation/ihre Lebensumstände und ihre eigene psychische und physische Verfassung es zulassen, dass ein Kontakt zwischen Eltern und Kindern stattfinden kann.
Diese Auseinandersetzung mit dem Geschehenen kann für die Eltern auch sehr belastend sein, deshalb benötigen sie selbst pädagogische, therapeutische oder beratende Unterstützung, in Form von externen Hilfen.
Wir wollen die traumatische Vergangenheit der Kinder anerkennen und nicht verleugnen. Damit möchten wir einen Prozess bei den Kindern anstoßen, der sie verstehen lassen soll, dass die früher gemachten, traumatischen Geschehnisse einen negativen Einfluss auf ihre psychische und physische Entwicklung hatten und ein falsches Realitätsbild für die Kinder dargestellt haben. Sollten die Kinder immer wieder in diese belastenden Situationen zurückkehren, bedeutet das, dass wir PädagogInnen bei dieser Verleugnung mitmachen und die Kinder immer wieder einer „verrückt machenden Situation“ aussetzen. Wenn es nicht möglich ist, mit den Eltern über die Vergangenheit zu sprechen, werden die Kinder nicht aus dem traumatischen System entlassen. Die logische Konsequenz wäre dann, das Kind im Kontakt mit den Eltern nicht alleine zu lassen. Andernfalls nimmt die Einrichtung und die MitarbeiterInnen des KSD/ASD das Risiko in Kauf, dass ein Kind immer wieder in eine traumatisierende Situation zurückkehrt. Entweder weil die Eltern selbst Täter sind oder weil sie ihr Kind nicht ausreichend schützen können. Wenn wir Erwachsenen das Kind in eine unsichere, ungeschützte Situation entlassen, erlebt das Kind dies als Vertrauensverlust.
Im Interesse des Kindes müssen folgende Voraussetzungen für den persönlichen Kontakt zwischen Eltern und Kindern erfüllt sein:
Die Bereitschaft der Eltern:
- über Biografie des Kindes und der Familienmitglieder und die Geschehnisse zu erzählen, die zur Aufnahme des Kindes geführt haben
- externe Hilfen anzunehmen
- zur Zusammenarbeit d.h. sie müssen Interesse am Kind haben und bereit sein, den Umgang mit dem Kind zu verändern
- die Sicherheit des Kindes während des Kontaktes zu gewährleisten
Sollten Besuche im häuslichen Umfeld der Familie stattfinden, ist eine Bereitschaft der Eltern erforderlich, mindestens halbjährlichen Hausbesuchen durch die MitarbeiterInnen des Kinderhauses zuzustimmen, damit diese einen Eindruck von dem Lebenskontext des Kindes im familiären Umfeld gewinnen können. Außerdem muss gewährleistet sein, dass das Kind nicht in eine traumatisierende Umgebung zurückkehrt. Die zeitlichen Ressourcen für die Betreuung des Kindes durch die Eltern müssen während der Besuchskontakte vorhanden sein.
Da die Kinder oft nicht in der Lage sind, über Besuchskontakte selber zu bestimmen, muss dieses unterstützt und begleitet werden (KSD/ASD/Vormund). Kinder dürfen damit nicht alleine gelassen werden. Hierbei muss das Gespalten-sein der Kinder berücksichtigt werden: Kinder können sich oft nicht von dem Familiensystem trennen, auch wenn sie sehr unter den häuslichen Bedingungen gelitten haben. (Verantwortung für kleine Geschwister, Angst vor dem Täter, den sie allmächtig erlebt haben, Angst und Sorge um die Mutter usw.) Es muss ein enger Austausch mit dem Vormund/KSD/ASD stattfinden, in dem unter anderem festgeschrieben wird, welche Aufgaben in Bezug auf die Elternarbeit vom KSD/ASD und welche vom Kinderhaus übernommen werden. Die Absprache bezüglich der Kooperationsform mit den Eltern findet im Hilfeplangespräch statt.
Wenn diese Form der Elternarbeit in keiner Weise möglich ist und die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann nur ein begleiteter Kontakt zwischen den Eltern und dem Kind stattfinden, z.B. in der Einrichtung oder im KSD/ASD.
Mögliche Kooperationsformen mit den Eltern:
- Aktive Miteinbeziehung der Eltern/Beziehungspersonen in die halbjährlich stattfinden Hilfeplangespräche des Kindes
- Vereinbarung von Richtungs- und Handlungszielen für die Eltern, zur Stabilisierung der häuslichen Situation im Rahmen des Hilfeplangespräches
- Miteinbeziehung der Eltern die verschiedenen Lebensbereiche der Kinder: Teilnahme der Eltern an Elternabenden, Elternsprechtagen, Schulveranstaltungen, Austauschgesprächen mit den Therapeuten der Kinder, etc.
- Regelmäßiger telefonischer Austausch zwischen Eltern und MitarbeiterInnen des KJH
- Ca. alle sechs Monate, und darüber hinaus bei zusätzlichem Bedarf, Durchführung von Elterngesprächen im Kinderhaus u.a. zur Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehung (z.B. Rückblick halten, welche positiven und negativen Erfahrungen wurden zu den Zeiten gemacht, als die Kinder ihre Eltern besucht haben usw.)
- Sofern möglich periodische Elternkontakte/Wochenendbeurlaubungen sowie die zeitweilige Betreuung während der Schulferien
- Bei Bedarf können an einem Tag eines Besuchswochenendes Eltern-/Familien entlastende Angebote stattfinden. Hierbei werden ganz unterschiedliche Angebote für die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern durch die MitarbeiterInnen des Kinderhauses organisiert und begleitet.
- Teilnahme an unterschiedlichen Familienaktivitäten wie z.B. Frühstück, Wald-Picknick, Spiel- oder Kegelnachmittagen, Wanderungen etc. sowie an Geburtstagen und Festen im Kinderhaus
Intention dieser tiefgreifenden und umfassenden Elternarbeit ist es, die Beziehungen zwischen den Eltern und den Kindern zu verbessern, sodass eine Rückführung in die Familie gelingen kann. Um diesen Schritt gehen zu können und die richtige Entscheidung für die gesunde, weitere Entwicklung des Kindes treffen zu können, muss sichergestellt sein, dass das Kind nicht erneut in eine traumatisierende Situation oder Atmosphäre gerät.
10. Freizeitpädagogische Angebote
Durch vielschichtige Angebote des Kinderhauses im freizeit-, erlebnispädagogischen-sportlichen- und kulturellen Bereich sollen die Kinder animiert werden, ihren Neigungen und Interessen entsprechend, die für jeden einzelnen zur Verfügung stehende Freizeit positiv zu nutzen. Nicht nur allein aus diesem Grund füllen die vom Kinderhausteam durchgeführten freizeitpädagogischen Aktivitäten einen großen zeitlichen Rahmen aus. Wir wollen unter anderem mit diesen Angeboten, vor allem in der Erlebnispädagogik vor Ort, das Selbstvertrauen und die sozialen Kompetenzen der Kinder fördern. Individuell wollen wir auf die Bedürfnisse der Kinder reagieren. Hierzu gehören Einzelaktivitäten und gemeinsame Aktionen, vorrangig am Wochenende und in den Ferien, die in der Regel von zwei MitarbeiterInnen begleitet/ durchgeführt werden. Darüber hinaus sind spontane Freizeitangebote am Nachmittag und/ oder Abend, wie z.B. Fahrradtouren, Schwimmen, Spiele im Wald oder Garten und dergleichen mehr, Komponenten unserer Arbeit. Dabei ist uns wichtig, dass Spaß und Freude bei jedem einzelnen stets im Vordergrund stehen. In vielen kleinen Schritten soll dadurch, sofern nicht bereits vorhanden, eine lebensbejahende Einstellung erzielt werden. Denn vieles wird auch in schwierigen Situationen heute und in späteren Lebensabschnitten des Kindes/Jugendlichen/jungen Erwachsenen leichter, wenn eine positive Grundeinstellung zum Leben besteht.
Einmal jährlich wird ein gemeinsamer Kinderhausurlaub angeboten oder es besteht die Möglichkeit zur Teilnahme an öffentlich angebotenen Ferienfreizeiten. Darüber hinaus können je nach Interesse einzelner Kinder mit einer/einem BezugsbetreuerIn Kurzurlaube unternommen werden.
In der unmittelbaren Umgebung des Kinderhauses existieren eine Vielzahl von Freizeitangeboten z.B. im hannoverschen Stadtwald Eilenriede mit zahlreichen Spiel- und Fußballplätzen sowie dem Erlebnisspielplatz Wakitu. Ferner sind in der Nähe gut erreichbar: Frei- und Hallenbäder, drei Jugendzentren, Pferdehof, Erlebnis Zoo Hannover, diverse Sportvereine, öffentliche Bücherei, Freizeitheime und ein Stadtteil-Bauernhof.
11. Qualitätssicherung- und entwicklung
Die Beurteilung der Wirksamkeit von Leistungen „Erfolgskontrolle“ wird sequenziell durch eine ständige Evaluation des eigenen pädagogischen Handelns erzielt und reflektiert. Eine systematische Dokumentation über die Entwicklung des Kindes erfolgt durch kontinuierliche Evaluationen des Teams, die mindestens halbjährlich überprüft und aktualisiert werden.
Hierzu gehören weiterhin einmal jährlich (Publikation erfolgt im Jahresbericht des KJH):
- Evaluation Kinder im KJH
- Evaluation Eltern/Familienangehörigen
sowie in zweijährigen Intervallen (vollständige Publikation ebenfalls in den Jahresberichten des KJH):
- Evaluation mit dem belegenden öffentlichen Jugendhilfeträger
- Evaluation Schule/LehrerInnen
- Evaluation mit den behandelnden TherapeutInnen der Kinder
Weitere qualitätssichernden Standards unserer Arbeit sind:
- Team- und interne Fallkonferenzen werden in regelmäßiger Abfolge (wöchentlich ca. 5,0 Std.) wahrgenommen. Sie dienen als kontinuierliche Reflexion der pädagogischen Arbeit und beinhalten die weitere Planung von Erziehungsprozessen (Prozessqualität). Hierüber wird eine schriftliche Dokumentation erstellt.
- Ein Teamcontroller (MitarbeiterIn aus dem Team) überwacht die Einhaltung von Absprachen, Vereinbarungen, Zielsetzungen und den individuellen Förderungsprogrammen innerhalb der geplanten Erziehungsprozesse (inhaltliche und zeitliche Struktur).
- 14-tägig finden außerhalb der Schulferien externe Supervisionssitzungen (1,5 Std.) obligatorisch für alle MitarbeiterInnen statt.
- Regelmäßig finden Fallberatungen und traumapädagogische Beratungen durch eine erfahrene Traumatherapeutin statt
- Dokumentation der Familien- und Elternarbeit (Berichte über die angebotenen Aktivitäten, Hausbesuche, Elterngespräche etc. und einer Auswertung u.a. in unserem Jahresbericht).
- Dokumentation in Schrift und Bild über die durchgeführten freizeitpädagogischen Maßnahmen (im Rahmen unseres Jahresberichtes).
- Beschreibung der Einzelfallhilfe/ Einzelfallförderung (Zielsetzung, Umsetzung, Quintessenz).
- Im jeweiligen Hilfeplangespräch nach § 36 KJHG werden alle o.g. Leistungen benannt und einzeln ausgewiesen und somit überprüfbar für alle Beteiligten vorgestellt.
- Die persönliche und fachliche Weiterqualifizierung wird als unverzichtbarer Bestandteil der pädagogischen Arbeit angesehen (grundsätzliches Selbstverständnis). Hierfür werden die finanziellen und zeitlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt. Eine detaillierte Auflistung über die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen erfolgt auf der Homepage des KJH und im Rahmen der Jahresberichte.
- Differenzierte Dokumentation der Team-/ Supervisionssitzungen sowie der Fallberatungen im Kontext der individuellen Einzelfallhilfe.
- Fortlaufende Zertifizierung der Gesamteinrichtung analog zu ISO 9001 (seit 2011) durch den VPK (Verband privater Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe im Landesverband Niedersachsen e.V.).
- Des Weiteren sichern wir die Qualität in unserer pädagogischen Arbeit durch eine intensive Vernetzung mit fachspezifischen Kooperationspartnern
12. Kooperation und Vernetzung mit anderen Institutionen
Aus unserer Erfahrung heraus halten wir es, um eine qualitative pädagogische Arbeit zu leisten, für dringend notwendig, mit anderen Institutionen zu kooperieren. Bei den multiplen Verhaltensauffälligkeiten der Kinder ist es unerlässlich, auf ein Netz verschiedenster Hilfen zurückgreifen zu können. Daher haben wir in den vergangenen Jahren für unsere Betreuungsarbeit ein so genanntes „soziales Netz“ aufgebaut.
Unser Kinderhaus ist Mitglied im Verband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe (VPK Landesverband Niedersachsen e.V.).
Zwischen dem Kinderschutz-Zentrum Hannover und dem Kinderhaus wurde ein Kooperationsvertrag gemäß §8a SGB VIII geschlossen, der die externe Beratung und Unterstützung bei Kindeswohlgefährdung sicherstellt.
Unser Kinderhaus gehört zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Kinderhäuser Hannover plus. Die Arbeitsgemeinschaft wurde 1996 initiiert und besteht aus verschiedenen, familienanalogen Einrichtungen mit unterschiedlich ausgerichteten konzeptionellen Schwerpunkten. Sie dient seit dem allgemeinen Erfahrungsaustausch, der kollegialen Unterstützung/ Beratung und ist ein Medium für pädagogische, wirtschaftliche und organisatorische Grundsatzfragen kleiner privater Einrichtungen der stationären Jugendhilfe in der Region Hannover.
Darüber hinaus ist unsere Einrichtung Mitglied im Bundesverband für Erziehungshilfe (AFET) und in der Bundesarbeitsgemeinschaft Traumapädagogik (BAG e.V.). Sowohl der VPK als auch die BAG und der AFET fördern u.a. einen professionellen Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Institutionen sowie die multiprofessionelle Kooperation (Vernetzung).
Um eine ständige fachliche Auseinandersetzung und Begleitung für den pädagogischen Alltag zu ermöglichen, findet für das Kinderhausteam 14-tägig (außerhalb der Schulferien) Supervision statt. Zusätzlich nimmt das Kinderhaus bei Bedarf eine traumapädagoische Supervision durch eine Traumatherapeutin in Anspruch.
Weiterhin besteht eine intensive Zusammenarbeit mit den Schulen und den dortigen Lehrkräften der Kinder.
Zwischen den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und unserem Kinderhaus streben wir gleichfalls eine intensive Zusammenarbeit an und nicht nur allein deshalb, weil wir die Arbeit mit dem Kind als einen gemeinsamen Auftrag verstehen. Ein regelmäßiger Austausch ist die Grundlage vertrauensvoller und kooperativer Arbeit.
13. Abschlussgedanken
Das Kinderhaus Amthor stellt mit seinem Betreuungsangebot und seinem familiären Charakter eine besondere Form der stationären Kinder- und Jugendhilfe dar.
Das mit dieser Konzeption vorgestellte Betreuungs- und Beziehungsangebot, in seiner offenen, vertrauensvoll ausgerichteten Atmosphäre, verstehen wir auch als eine Form von „heilendem Milieu“, in dem die Kinder wieder zu sich finden können, als Mensch ernst genommen werden und verlässliche Hilfe erhalten. Zu unserem erzieherischen Auftrag gehören gegenseitige Akzeptanz genauso wie emotionale Zuwendung und Humor. Wir wollen mit Spaß und Freude am Leben der Kinder teilhaben.
Von großer Relevanz ist, dass unser pädagogisches Konzept noch stets genügend Handlungsspielräume offen lässt, damit wir undogmatisch und bedarfsgerecht auf die Besonderheiten und Bedürfnisse der uns anvertrauten Kinder reagieren können. Jeder Tag ist für uns eine neue Herausforderung und Chance zugleich, die wir gerne annehmen.
Selbstverständlich kochen auch wir nur mit Wasser, sind nicht allwissend und haben auch nicht für jedes Problem ein Patentrezept parat. Wir sind jedoch immer auf der Suche nach ganz individuellen Lösungsmöglichkeiten und können dabei aufgrund einer über 25-jährigen pädagogischen Erfahrung und einer soliden interinstitutionellen Kooperation auf ein breites Spektrum von Hilfs- und Förderungsmöglichkeiten zurückgreifen.
Zusätzlich zu diesem Konzept mit traumapädagogischer Ausrichtung haben wir eine detaillierte Leistungsbeschreibung erstellt, in der wir das Betreuungsangebot im Kinderhaus zusammengefasst haben und dabei eine konkrete Aufschlüsselung über Leistungsangebot und Leistungsumfang dokumentieren. Bei Interesse stellen wir Ihnen gerne eine aktuelle Beschreibung unseres stationären Jugendhilfeangebotes zu Verfügung.
Das KJH Team
Hannover im Juli 2014